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Donnerstag, 15.02.2024

Interview mit Dr. Andres Köttl - Präsident der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE)

Heute dürfen wir Dr. Andreas Köttl zum Interview begrüßen. Er ist Präsident der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE) und auch Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI). Darüber hinaus ist er seit 2005 Chief Executive Officer der Value One.

Im Rahmen unserer Interviewreihe „ImmoStories“ bitten wir Persönlichkeiten der Immobilienbranche – von Berufseinsteigern bis Branchengrößen – um Einblicke in den eigenen Werdegang und die aktuelle Tätigkeit.


Was waren Ihre Beweggründe für eine Karriere in der Immobilienbranche und welche Berufsziele hatten Sie während dem Studium?

Mich hat immer schon angetrieben etwas Bleibendes zu hinterlassen. Immobilien sind dafür optimal geeignet. Bereits während dem Studium habe ich als Werkstudent zumindest halbtags in einer auf Immobilien spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei gearbeitet. Schnell habe ich in Projekten mehr übernommen als nur den rechtlichen Part, und schon war ich mitten in der Projektarbeit, die mich seitdem fasziniert hat. Viel Raum für andere Berufsziele war da dann nicht mehr.

Viele Fragestellungen in der Immobilienwirtschaft sind Querschnittsthemen zwischen Wirtschaft, Recht und Technik. Sie haben Ihre Karriere auf ein juristisches Fundament gebaut. Was raten Sie Berufseinsteiger: innen, die eine steile Karriere in der Immobilienwirtschaft anstreben?

In der Projektentwicklung sind mutige und entscheidungsstarke Personen gefragt, die mit sehr unterschiedlichen Menschen reden können. Sie müssen die Träume des Architekten mit den Wünschen des Mieters und den Grenzen der Finanzierbarkeit ausgleichen können. Sie sollten aber in der Lage sein, alle Fachsprachen dieser Berufsgruppen zu verstehen und eine tragfähige Gesamtlösung zu entwickeln. Insofern ist ein Interesse an mehreren Fachrichtungen besonders wichtig.

Sie sind seit über 12 Jahren CEO der Value One und seit dem Vorjahr Präsident der VÖPE. Was sind aktuell die größten Herausforderungen?

Während die Branche einzelne Verschlechterungen der Rahmenbedingungen immer gut abfedern konnte, kommt derzeit vieles zusammen. Einerseits die Zinslandschaft, die wir in Österreich nicht beeinflussen können und die Grundstücks- und Baupreise sind nach wie vor sehr hoch. Aber auch die hausgemachte hohe Inflation und nationale bürokratische Rahmbedingungen sind Herausforderungen, Stichwort KIM-Verordnung.

KIM-Verordnung: Wer einen Wohnkredit aufnehmen will, muss mindestens 20 Prozent an Eigenkapital mitbringen, die maximale Laufzeit ist mit 35 Jahre festgelegt und die Monatsrate darf maximal 40 Prozent des Haushaltseinkommens betragen.

Wir sehen die Gefahr, dass in zwei bis drei Jahren maßgeblich Wohnraum fehlt, weil derzeit kaum noch Projekte eingereicht werden. Dadurch werden die Preise schnell wieder steigen.

Der Immobilien- und Bauchbranche ging es also schon besser.

Das stimmt und auch das heurige Jahr wird weiter unter dem Zeichen multipler Krisen stehen. Geopolitische Verwerfungen vom Ukraine- bis zum Gaza-Krieg, eine rund doppelt so hohe Inflation wie der Schnitt der Eurozone, hohe Energie- und Baukosten bleiben Dauerbrenner, ebenso wie Maßnahmen rund um Klimaschutz und Klimawandelanpassung.

Wie könnte man gegensteuern?

Ein großer Teil der politischen Entscheidungsträger unterschätzt unserer Meinung nach die große volkswirtschaftliche Bedeutung einer soliden Bau- und Immobilienwirtschaft. Die Stärkung des Bausektors, insbesondere des personalintensiven Hochbaus, muss höchste Priorität haben. Grundlage für zukünftige Aktivitäten der Branche muss ein Bekenntnis zum leistbaren Lebensraum sein und Bauen muss wieder einfacher werden. Insbesondere innovative Projekte und Baumaßnahmen, die dem Klimaschutz und der Klimawandelanpassung dienen, müssen erleichtert werden, damit wir die politischen Ziele dazu erreichen. Das gilt sowohl für den Neubau wie auch für den Bestand.

Kann man in der aktuellen Situation gut bauen und trotzdem Geld verdienen? Wie schafft man das?

Nachhaltig und verantwortungsvoll wirtschaftende Entwickler sind auf Konjunkturzyklen vorbereitet. Schließlich erlebten wir 15 Jahre einen kaum jemals dagewesenen Immoboom, da galt es, Eigenkapital aufzubauen und die eigenen Assets zu stärken. Wenn man da gut aufgestellt ist und die absehbaren Trends – z.B. Taxonomietauglichkeit, Bestandsentwicklung – im Auge hat, kann man selbstverständlich profitieren.

Wien wächst und der Großteil der Bauträger stoppt die weiteren Entwicklungen. Haben wir spätestens 2025 zu wenige Wohnungen in Wien?

Die wohnungswirtschaftliche Marktlage ist in Österreich angespannt: wurden 2020 noch rund 44.000 Baugenehmigungen für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern erteilt, so ist diese Zahl laut Statistik Austria im Jahr 2022 bereits auf 30.000 Einheiten gesunken. Für 2023 ist auf Basis der bisher vorliegenden Zahlen (Q1-2) ein Rückgang auf nur mehr rund 23.000 Genehmigungen für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zu erwarten. Wenn sich dieser Trend fortsetzt bzw. weiter verschärft, wovon wir aktuell ausgehen, wird dies zu einer empfindlichen Verknappung von Wohnraum und damit zu steigenden Preisen führen. Davor haben wir bereits im letzten Jahr gewarnt. Es ist dringend an der Zeit, dieser Negativ-Entwicklung mit entsprechenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen gegenzusteuern. Wir haben dazu schon im vergangenen Jahr unsere Forderungen in Form eines lösungsorientierten Maßnahmenpakets präsentiert und hoffen, dass die Politik die Dringlichkeit erkennt und gemeinsam mit uns an den richtigen Stellhebeln dreht. 

Mit dem Thema Nachhaltigkeit setzen Sie sich sowohl als Präsident der ÖGNI als auch der VÖPE auseinander. Nachhaltigkeit und Rentabilität ein Widerspruch? Oder sind zukünftig nur noch nachhaltige Immobilien rentabel?

Zunächst, auch als VÖPE mit mittlerweile 60 Mitgliedern beschäftigen wir uns natürlich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit. Wir Lebensraumentwickler stehen für qualitative, österreichische Projektentwicklung, die an morgen denkt und unser Beitrag muss einer sein, der der Gesellschaft weiterhilft. Als Unterstützung der VÖPE-Mitgliedsunternehmen wurde Ende vergangenen Jahres von erfahrenen VÖPE-Nachhaltigkeitsexperten gemeinsam mit externen ESG-Profis ein Leitfaden erstellt. Er ist eine praxistaugliche, am Arbeitsalltag der Projektentwickler orientierte Handlungsanweisung zur Einführung eines ESG-Managements und der Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts nach der Corporate Sustainability Reporting Directive. Die Einhaltung dessen soll dann ein klares Qualitätskriterium gegenüber anderen Branchenmitgliedern sein. Unsere gebauten Lebensräume sind ein wesentlicher Schlüssel für die Entwicklung zu einer nachhaltigen Gesellschaft. ÖGNI vertritt die Interessen der Nachhaltigkeit und VÖPE jene ihrer Mitglieder, die Handlungsfelder ergänzen sich sehr gut und stützen einander.

Was stimmt Sie trotz Einbruch der Transaktionstätigkeit positiv für die kommenden Jahre in der Immobilienwirtschaft?

Wir haben, wie Sie richtig sagen, vor allem eine Transaktionskrise. Die österreichischen Immobilien sind zum größten Teil nach wie vor sehr werthaltig. Mit fallenden Zinsen wird es, vielleicht noch nicht im ersten Halbjahr, aber mittelfristig, wird es wieder zu einem Gleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot kommen, zumal sich das Angebot aus heutiger Sicht verringern wird.

Welche Trends in der Immobilienwirtschaft werden Ihrer Meinung nach völlig unterschätzt?

Über Digitalisierung wird zwar viel geredet, aber sie ist längst noch nicht überall in der Wirklichkeit angekommen. Gerade für den Klimaschutz und die Nachhaltigkeitsberichterstattung, aber auch für die Leistbarkeit des Wohnens, wird der Einsatz digitaler Technologien aber unabdingbar sein. Wir beschäftigen uns im Unternehmen intensiv mit Themen der Digitalisierung.

Wir bedanken uns für die interessanten Einblicke und wünschen weiterhin viel Erfolg.

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Steckbrief: Persönliche Fragen an Dr. Andreas Köttl

Wo und wie tanken Sie Energie?
Mit meiner Familie, beim Sport und meinen zahlreichen Interessen. Ich versuche laufend neue Fähigkeiten zu erlernen und so neue Perspektiven aufzunehmen. Die Wahrnehmung der wunderbaren Vielfalt unseres Lebens kann energetisch massiv aufladen.

Welchen Beruf hätten Sie, wenn es die Immobilienbranche nicht mehr geben würde?
Ich hätte ein Handwerk gelernt, und dabei am liebsten mit Holz gearbeitet, oder Mechaniker an klassischen Automobilen. Oder Landwirt mit Forstwirtschaft. Professioneller Skipper wäre auch spannend gewesen. Hatte aber alles gegen die Immobilienbranche keine Chance.

Welches Buch lesen Sie gerade?
Magic Leader, die Macht der Illusionen von Josef Gundinger

Ihr Lebensmotto?
Carpe Diem